In der Ruhe liegt die Rendite: Ein Appell an die Gelassenheit

Sind Anleger erfolgsverwöhnt?
Blicken wir kurz zurück: Nach dem Corona-Einbruch im März 2020 folgte eine beeindruckende Rallye an den Märkten. Besonders Tech-Aktien schossen auf neue Höchststände, und viele Anleger – vor allem Börseneinsteiger – kannten lange Zeit nur steigende Kurse. In Finanzforen brüsteten sich Neulinge mit dreistelligen Jahresrenditen, was eine Art „FOMO“ (Fear of Missing Out) auslöste und noch mehr Menschen an die Börse lockte.
Doch diese Erfolgsverwöhnung birgt eine Gefahr: Wer noch nie eine größere Korrektur erlebt hat, ist mental eventuell nicht auf Turbulenzen vorbereitet und reagiert in einer Marktschwäche vielleicht nicht dem eigenen Anlagehorizont angemessen. Aber auch wir erfahrenere Anleger sind nicht immun dagegen. Nach Jahren stetig steigender Kurse neigt man dazu, das Gefühl einer Korrektur zu vergessen und läuft Gefahr, in turbulenten Zeiten unüberlegt zu handeln. Die jüngsten Rückschläge und die zahlreichen Medienberichte zu diesem Thema verunsichern nicht nur Neulinge, sondern auch erfahrene Anleger – selbst jene, die wissen, dass Marktschwankungen normal sind, sich aber dennoch von der allgemeinen Nervosität anstecken lassen.
Aktuelle Marktsituation: Die Volatilität kehrt zurück
Nach den Höhenflügen der vergangenen Jahre erlebt der Markt derzeit wieder unruhigere Zeiten. Ein Indikator dafür ist der VDAX-NEW, der „Angstindex“ der deutschen Börse. Dieser Index misst die erwartete Schwankungsbreite (Volatilität) des DAX für die nächsten 30 Tage. In den letzten Wochen ist der VDAX-NEW wieder angestiegen – von Ende Februar bis Mitte März um fast 60 %.
Kurz gesagt: Die Nervosität ist zurück, die Schwankungen nehmen zu.
Zur Einordnung: Volatilität an sich ist nichts Ungewöhnliches. Blicken wir auf den Graphen, sehen wir, dass sich die Ausschläge zur Zeit noch im Rahmen befinden. Der Markt scheint dementsprechend noch nicht so nervös zu sein, wie es in manchen Medien propagiert wird. Phasen erhöhter Schwankung gab es in der Vergangenheit immer wieder. Ob nach dem Platzen der Dotcom-Blase, nach 9/11, der Finanzkrise, zur Corona-Pandemie 2020 oder dem Überfall Russlands auf die Ukraine – jedes Mal zuckte der Ausschlag des VDAX nach oben und die Märkte gingen entsprechend runter, um sich anschließend wieder zu fangen. Schwankungen gehören zum Markt dazu.

Die Gefahr von überstürzten Verkäufen
In unseren Vorträgen ist auch immer wieder Thema, dass Angst und Panik keine guten Anlageberater sind, denn überstürzte Verkäufe inmitten einer Kurskorrektur sind meist eine schlechte Option.
Ein Praxisbeispiel: Im März 2020 verkauften viele Anleger in Panik nahe den Tiefstständen. Doch nur wenige Monate später hatten sich die Märkte stark erholt. Wer unten ausgestiegen war, verpasste die rasante Erholung und musste später teurer wieder einsteigen – oder blieb draußen und ärgerte sich über die verpassten Gewinne.
Oft ist das Gegenteil der Fall und gefallene Kurse bieten sogar günstige Einstiegsgelegenheiten für geduldige Anleger. Eine gute Portion Stoizismus hilft also weiter. An der Börse ist Geduld eine Tugend, Hektik dagegen Ihr Feind.
Market Timing – der trügerische Traum vom perfekten Zeitpunkt
Kaufen am Tiefpunkt, verkaufen am Höchststand, dies entspricht der Optimalvorstellung vieler Anleger. Doch in der Realität gelingt es selbst erfahrenen Investoren selten, den perfekten Ein- oder Ausstiegszeitpunkt konstant zu treffen. Denn eine Studie zeigte, dass in 6 von 10 Fällen die stärksten Börsentage innerhalb von zwei Wochen nach den schwächsten auftraten.
Die Konsequenzen dieses versuchten Market Timings können dramatisch ausfallen. Um dies zu verdeutlichen, haben wir eine Analyse am Beispiel des MSCI World durchgeführt. Das Ergebnis wird mit einem Blick auf den Graphen deutlich. Hätten Sie in den letzten 50 Jahren auch nur die besten 20 Tage verpasst, müssten Sie einen deutlichen Verlust bei der Rendite hinnehmen. Entsprechend fällt auch unsere Empfehlung aus: Zeit im Markt schlägt Timing des Marktes, denn schon ein paar verpasste gute Tage können eine Jahrzehnte-Performance zunichtemachen.

Lesen Sie mehr zum Thema Market Timing in unserem ausführlichen Artikel.
Was tun? Tipps für einen kühlen Kopf und ein solides Depot
Wie können Sie als Anleger nun mit der Situation umgehen? Hier einige Grundregeln, um auch in turbulenten Phasen die Nerven zu bewahren und Ihr Portfolio wetterfest zu gestalten:
01.
Diversifikation statt Klumpenrisiko: Stellen Sie sicher, dass Ihr Depot breit aufgestellt und über verschiedene Branchen und Länder gestreut ist. Wer nur auf wenige Länder, Sektoren oder gar Einzeltitel setzt, steht im Regen schnell ohne Schirm da. Besser ist ein Mix aus unterschiedlichen sogenannten Weltfonds oder -ETFs wie zum Beispiel dem MSCI World, dem FTSE All World oder auch aktiv gemanagten Fonds in Kombination mit weiteren Fonds und ETFs, die Ihr Portfolio noch breiter diversifizieren. So erhalten Sie ein Depot, welches auch mit schwierigen Wetterbedingungen zurechtkommt.
02.
Langer Atem, gute Strategie: Erinnern Sie sich an Ihren ursprünglichen Anlagehorizont. Geld, das für die Altersvorsorge oder langfristige Ziele gedacht ist, sollte auch langfristig investiert bleiben. Aktienfonds und -ETFs haben in der langfristigen Perspektive hervorragende Renditen erzielt – aber nur, wenn man auch in schlechten Zeiten dabeibleibt. Historisch gab es kaum 15- oder 20-Jahreszeiträume, in denen geduldige Anleger mit einem breit gestreuten Aktiendepot Verluste gemacht hätten. Die Devise lautet daher: Denken Sie in Jahren und Jahrzehnten statt in Tagen oder Wochen.
Setzen Sie sich ein klares Ziel und eine Strategie – und halten Sie daran fest. Rebalancing, also die gelegentliche Wiederherstellung der Ursprungs-Gewichtung, kann dabei helfen, nicht zu große Klumpenrisiken entstehen zu lassen.
03.
Solide Beratung und Selbstdisziplin: Scheuen Sie sich nicht, einen erfahrenen Anlageberater oder Finanzcoach hinzuzuziehen – gerade, wenn Sie unsicher sind. Ein guter Berater fungiert als unabhängiger Partner, der Ihnen hilft, emotionale Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Vanguard hat hierzu eine Studie durchgeführt, das Vanguard Advisors Alpha. Laut dieser verlieren Anleger, die ihr Depot ohne Berater führen, 2 bis 3 % Rendite pro Jahr, gegenüber Investoren in Begleitung einer Beratung. Mehr dazu können Sie in unserem Artikel zu der Studie lesen.

Geduld wird belohnt
Warren Buffett bringt den Kern der Sache auf den Punkt:
„Die Börse ist ein Instrument, um Geld von den Ungeduldigen zu den Geduldigen zu transferieren.“
Buffett selbst investiert erfolgreich seit Jahrzehnten genau nach diesem Prinzip – Qualitätsaktien kaufen und liegenlassen. Diese Haltung können Sie sich auch als Privatanleger in turbulenten Zeiten gerne zu Herzen nehmen. Wir haben im Deutschen ein wunderbares Wort, welches diese Haltung sehr gut beschreibt: Sie brauchen sprichwörtlich „Sitzfleisch“. Geduld, Ruhe und Disziplin sind die vielleicht wichtigsten Zutaten für Anlageerfolg.
Übrigens ist Warren Buffett nicht der Einzige mit dieser Erkenntnis: André Kostolany empfahl einst augenzwinkernd, man solle „Aktien kaufen, Schlaftabletten nehmen und nicht mehr ans Depot denken“ – erst Jahre später solle man wieder nachschauen. Auch wenn es überspitzt formuliert ist, steckt viel Wahres darin.
Fazit: Ruhe bewahren und langfristig denken
Die aktuelle Marktlage mag angespannt sein – steigende Volatilität, verunsicherte Anleger und düstere Schlagzeilen verlocken dazu, nervös zu werden. Doch der wichtigste Rat für Anleger lautet: Ruhe bewahren!
Am Ende des Tages gilt: In der Ruhe liegt die Rendite. Bleiben Sie also gelassen, halten Sie an Ihrer Strategie fest und vertrauen Sie darauf, dass gute Diversifikation und Zeit für Sie arbeiten. Die Börse ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und den gewinnt, wer trotz Durststrecken weiter läuft.
Als Optimist können Sie die jetzige Marktsituation wie auch andere Korrekturphasen stets als Shopping Chance sehen. Dies ist der SSV bzw. Black Friday des Kapitalmarktes.
Noch ein Tipp für zukünftige Anleger, die an der Börse starten möchten: Versuchen Sie nicht, den Einstieg zu timen. Ein Ansatz besagt ebenso, dass Geld, welches sich im Markt befindet, auch arbeiten kann. Denn was tut genauso weh, wie ein realisierter Verlust? Ein entgangener Ertrag.
Viel Spaß beim Investieren – und bleiben Sie entspannt, oder mit den Worten von Will Smith und Martin Lawrence: „Wusa“!
